Mittelalterliche musik-liturgische Quellen und Mensuralfragmente aus dem Augustinerchorherrenstift St. Florian


Die Klosterbibliothek von St. Florian besitzt heute etwa 800 mittelalterliche Handschriften. Die ältesten Quellen stammen aus dem 9. Jh. Besonders aus dem 12., 13. und dem beginnenden 14. Jh. sind zahlreiche Handschriften mit herausragendem Buchschmuck erhalten. Für diese Untersuchung konnten 34 mittelalterliche Musikhandschriften ausfindig gemacht werden. Insgesamt verfügt die Bibliothek an die 200 Liturgica, davon etwa 70 Signaturen mit Musikfragmenten (vgl. austriaca -> Datenbank der liturgischen Hss. in Österreich).


Eine umfassende mittelalterliche Musik- und Liturgiegeschichte des Augustinerchorherrenklosters St. Florian wurde bis heute nicht geschrieben. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass einzelne Aspekte bereits von verschiedenen Autoren sehr ausführlich untersucht wurden (z.B. PRASSL, Franz Karl: Psallat ecclesia mater. Studien zu Repertoire und Verwendung von Sequenzen in der Liturgie österreichischer Augustinerchorherren vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Graz 1987; DERS.: Choralhandschriften österreichischer Augustinerchorherren im 12. Jahrhundert, in: Musicologica Austriaca 14/15 (1996), S. 9-23; FRANZ, Adolph: Das Rituale von St. Florian aus dem 12. Jahrhundert, Freiburg 1904; KAFF, Ludwig: Mittelalterliche Oster- und Passionsspiele aus Oberösterreich, Linz 1956, S. 33-37, hier S. 45-59). Robert Klugseder fasst in der hier vorgestellten Studie die Ergebnisse der bereits edierten musikwissenschaftlich-liturgisch relevanten Literatur zu St. Florian zusammen. Neue Erkenntnisse zu bisher nicht oder nur ungenügend behandelten Quellen werden in weiteren Kapiteln präsentiert.


Durch Fragmente mit Neumennotation aus dem 11. Jh. konnte eine Überlieferungslücke in der semiologischen Forschung geschlossen werden. Ein Fragment mit drei Kapitel aus Aribos De Musica erweitert die kleine Anzahl an Musiktraktaten aus St. Florian. Gleichzeitig ist es die älteste bekannte Abschrift aus Österreich. Mit der wissenschaftlichen Erschließung der Sondergesänge für den hl. Florian steht nun neben den Offizien für die Heiligen Virgil, Rupert, Koloman und Leopold eine weitere "österreichische Historia zur Verfügung. Die vermutlich nach St. Pölten gehörenden Fragmente eines Liber ordinarius werfen ein neues Licht auf die Verbreitungssituation dieses Regelbuches in den Diözesen Salzburg und Passau. Ein für die Choral-Aufführungspraxis bedeutendes Tonar enthält meloforme Tropen (Finales), die als melismatischer Abschluss der Psalmodie gesungen wurden. Bedeutende neue Quellen für die Musik der frühen Neuzeit stellen zwei Fragmente mit Mensuralnotation dar: Fragment 1, um 1480 entstanden, enthält dreistimmige Cantiones für die Weihnachtszeit (u.a. Agmina fidelium colunt, In natali domini). Fragment 2 vom Anfang des 16. Jhs. enthält Teile der vierstimmigen Allerheiligenmotette Sancti dei omnes von Jean Mouton.


Weitergehende Informationen (inkl. Notenübertragungen) sind in KLUGSEDER, Robert: Mittelalterliche musik-liturgische Quellen aus dem Augustinerchorherrenkloster St. Florian, in: Musicologica Austriaca 31 (2012) zu finden.


Veröffentlichung der Bilder der Stiftsbibliothek St. Florian mit dem Einverständnis von Herrn Prof. Dr. Karl Rehberger und Dr. Friedrich Buchmayr.